In Ermangelung eines Smart TVs sind wir die letzten Jahre recht gut mit einem Fire-TV-Stick gefahren. Das hat meist gut geklappt, weil wir ohnehin kaum lineares Fernsehen konsumieren. Aber die Performance des preisgünstigen Sticks ließ mit jedem Software-Update mehr zu wünschen übrig: Insbesondere das Hochfahren dauert inzwischen einige Minuten und auch Hänger im Alltagsbetrieb sind keine Seltenheit. Für weniger Nerv im Leben™ musste also eine leistungsstärkere Alternative her, die mindestens die gleichen Features bietet – und gerne einige weitere ergänzt.
Dieser Artikel stellt den Anfang einer kleinen Reihe da, in der ich beschreibe, wie sich moderner TV-Genuss mit einem nicht so smarten Fernseher und einem Linux-PC bewerkstelligen lässt. Hier geht es zunächst um die Anschaffung und einige Grundgedanken zum Setup – das aufgesetzte System wird in den folgenden Beiträgen verfeinert.
Aber wie immer: Die vorgestellte Lösung berücksichtigt nur unsere ganz eigenen Vorstellungen und Wünsche. Your mileage may vary.
Hardware
Weil ein neuer Fernseher nur wegen fehlender Smart-Funktion des alten Geräts immer noch nicht in Frage kommt, hab ich mich für einen einfachen NUC entschieden. Das ist ein handelsüblicher PC verpackt in einem sehr kompakten Gehäuse, das nur noch um Festplatte und Arbeitsspeicher ergänzt werden muss. Die CPU ist zumeist fest verlötet, dafür sind die Geräte klein und relativ preiswert zu haben. Neben Intel bieten natürlich andere Hersteller vergleichbare Modelle an; exemplarisch genannt sei etwa die ZBOX von Zotax.
Zur Wahl stehen jedoch auch Alternativen wie Android-TV-Boxen, die man schon für nen guten Fuffi bekommt. Oder eine Selbstbaulösung basierend auf einem Einplatinenrechner wie Raspberry Pi und Konsorten. Im Vergleich zu einem vollwertigen PC bergen diese Varianten aber wieder das Risiko, aufgrund mauer Leistung und Einschränkungen in der Software-Auswahl zum Frustfaktor zu werden. Und wenn alle Stricke reißen, lässt sich ein richtiger PC alternativ immer noch irgendwie sinnvoll nutzen oder notfalls verscherbeln.
Konkret wurde es bei uns der NUC6CAYH, da hier Leistung und Preis zusammen mit einer mittleren SSD und etwas Arbeitsspeicher in einem ganz okayen Verhältnis zueinander standen. Wie immer lohnt es sich, aktuelle Preise und Kennwerte zu vergleichen.
Wer übrigens auf DVB-T2 nicht verzichten kann oder will (die Streaming-Angebote für Privatfernsehen sind ziemlich beschissen), sollte sich vorab über die verwendete Hardware Gedanken machen: Eine PCI-DVB-Karte lässt sich in einem NUC natürlich nicht nachrüsten. Alternativ bieten sich USB-basierte Lösungen an oder man greift auf einen klassischen DVB-T2-Receiver zurück, den man zusätzlich an den Fernseher anschließt.
Als Eingabegerät kommt eine Tastatur mit integriertem Touchpad zum Einsatz – die gibt's von eher groß bis ziemlich klein. Experimentierfreunde können aufs Smartphone mit KDE Connect zurückgreifen oder auf den Fernbedienungsformfaktor setzen.
Software: Das Grundsystem
Variante 1: Kodi / LibreELEC
Eigentlich war der Plan, direkt mit Kodi loszulegen. Wer's nicht kennt: Bei Kodi handelt es sich um eine bildschirmfüllende Media-Player, der auf lokale und entferne Audio- und Videodateien zugreifen kann und sich durch Plugins erweitern lässt. Dank vorgefertigter Installationsmedien lässt sich Kodi außerdem auf allen denkbaren Geräten ratzfatz installieren und ist noch dazu genau auf Fernseher und Steuerung per Fernbedienung ausgelegt.
Offen gesagt war ich nach einiger Ausprobiererei aber ziemlich ernüchtert: Viele der angebotenen Plugins sind veraltet, kaputt und/oder unkomfortabel zu benutzen. Auch liegt der Fokus wohl eher auf der Nutzung mit einem zentralen Medien-Server/NAS. Wer also Kodi sozusagen nur als Bootloader für Netflix und Mediathek nutzen will, sollte es vorher vielleicht mal auf dem klassischem Rechner installieren und ausprobieren. Mein Ding war das jedenfalls nicht.
Variante 2: Desktop-Linux
Nach einigen Stunden des Herumprobierens verschiedener Kniffe und Kompromisse hab ich Kodi also über Bord geworfen und mich für ein richtiges Linux entschieden: Mit gewöhnlichem Desktop und allen Applikationen, die wir uns gewünscht hatten, doch dazu gibt es in den folgenden Artikeln mehr.
Wer mit Kodi zufrieden ist, kann an dieser Stelle also das Lesen einstellen. Wer sich für das von uns verwendete Setup interessiert, möge am Ball bleiben.
Fazit
Da in den nächsten Artikeln also nur noch technische Details folgen, greife ich wenig vorweg und verewige gleich hier mein Fazit:
Ein (Linux-)PC am Fernseher macht sich erstaunlich gut! Es fehlt an nichts, im Gegenteil: Man ist nicht mehr auf irgendwelche App-Stores limitiert und Programme wie MediathekView eröffnen sogar neue Möglichkeiten. Nicht zuletzt ist die Performance super und so fühlt sich der Wechsel von ollen TV-Stick wie ein Quantensprung an.
Auch die zunächst etwas awkwarde Bedienung mit Maus/Tastatur ist dank großer Buttons kein Problem und weitere Frickelfaktoren entfallen dank sinnvollen Konfigurationen und Shortcuts (siehe Teil 2). WAF 100%!
Smarter Fernsehen: alle Artikel
- Teil 1: Auf geht's (dieser Artikel)
- Teil 2: Konfiguration
- Teil 3: Medien konsumieren
Bildnachweise
- Fire TV Stick von www.hdmi-experte.com, veröffentlicht unter CC BY 4.0
- Intel NUC von Laserlicht, veröffentlicht unter CC BY 4.0
- Kodi-Bildschirmfoto von RWDS EU, veröffentlicht unter GPL
- Titelfoto von aj_aaaab auf Unsplash