Wieder neigt sich ein Jahr dem Ende zu und ich will mit einer Runde Reingehört abschließen. Ich hoffe, ihr habt entspannte Feiertage und könnt mit etwas Zuversicht ins neue Jahr starten. Passt auf euch auf und bleibt gesund!
Randalica – Knast, Tod Oder Rock'n'Roll
(Album, 1995)
Fast vergessen scheint das Bandprojekt der damaligen Rock-Hard-Redaktion um Götz „Sir Pommes“ Kühnemund. Sicher war der Zeitgeist der 1990er ein anderer, aber möglicherweise sind den Protagonisten infantile Titel wie „Potent, willig und solo“ oder „Schmeck den Prügel“ schlappe siebzehn Jahre später doch irgendwo unangenehm – verübeln kann man es ihnen jedenfalls nicht.
Ich hab die Scheibe für sagenhafte 0,76 Euro (zzgl. Porto) eingesackt und würde gerne sagen: ich bereue nichts. Aber auch wenn der Fußball-Saufen-Haue-Rock schon damals 110% drüber war und alles unter dem Parodie-/Klamauk-Deckmantel lief, sind die Texte überraschend schlecht gealtert. Dann doch lieber EISENPIMMEL oder die KASSIERER; die haben zwar auch nicht mehr Niveau, aber zumindest die besseren Lacher am Start. Der Zeitreise wegen empfehle ich an dieser Stelle trotzdem einen Konzert- und Interview-Mitschnitt von VIVA, moderiert von (einem 1a frisierten) Markus Kavka.
Heavy Sentence – Bang to Rights
(Album, 2021)
Zeitgenössisch und doch kein Stück modern geht's weiter mit HEAVY SENTENCE. Wer trotz des bemerkenswert hässlichen Cover-Artworks ein Ohr riskiert, wird mit NWoBHM-lastigem Hochgeschwindigkeits-Heavy-Metal belohnt. Während der raue Gesang an MOTÖRHEAD oder TANK erinnert, dürften sich Freunde der (un-)gepflegten Twin-Gitarren in Anbetracht von Ohrwürmern wie Medusa oder Wicked Lady die Finger lecken.
Die Briten trümmern so unbekümmert drauf los, dass die 36 Minuten Spielzeit wie im Flug vergehen und man sich ein, zwei weitere Songs wünschen würde. Wer aber wie ich noch den Schweden von SPEEDTRAP (bzw. deren „Powerdose“-Album) nachweint oder auf neuen Stoff von BEWITCHER wartet, mag hier eine adäquate Ersatzdroge finden.
Metal Archives · Bandcamp · Spotify
Sandstorm – Desert Warrior
(EP, 2020)
Die kanadischen Oberkäuze (siehe auch Reingehört IX) veröffentlichten im verkorksten Jahr 2020 mit „Desert Warrior“ ein Lebenszeichen in Form einer EP, die ich alleine für die epische Schlachtenhymne Evil Wins hier empfehlen muss.
Das Trio kombiniert nach wie vor reduziertes Proto-Metal-Riffing mit schrägem Gesang und noch schrägerem Artwork, dass es einem Freudentränen in die Augen treibt. Cowboy-Stiefel geputzt, Rotzbremse gewachst und Daumen gedrückt dass wir bald mit einem echten Longplayer belohnt werden.
Metal Archives · Bandcamp · YouTube
Blitz – The Nachtmahr Sessions
(Tape-EP, Re-Release 2022, Erstveröffentlichung 2021)
Noch ne EP: Nachdem die erste Tape-Auflage von Dying Victims vergriffen war, legte das indonesische Ironbound-Label eine neue Auflage des Debüts mit veränderter Song-Reihenfolge auf (kleines Kunststück bei gerade mal drei Tracks). Die Kassette fand kürzlich im Rahmen des Rise of the Scum-Events (ich berichtete) den Weg zu mir.
Der namensgebende Opener Nachtmahr und das etwas speedigere Course of the Witch sind etwa gleichauf und versprühen ein ähnliches Feuer wie damals die erste EP der Namensvetter BLIZZEN. Schneidendes Riffing, selbstbewusst groovender Bass, rattenscharfe Schreie und natürlich Hooklines, die auch nach zwölf Hopfentorpedos noch über die klebrigen Lippen gehen. Der Rausschmeißer Shadow and Flame geht eher in Richtung EXCITER und Konsorten, ist aber nicht weniger stark. Man darf gespannt sein, wohin die Reise noch gehen wird.
Metal Archives · Bandcamp · Spotify
Titelfoto von Andreas Bohnenstengel, CC BY 3.0 DE, via Wikimedia Commons