Reingehört XI

6. März 2021 | #reingehoert #metal #cirithungol #gravedigger #midas #traveler #witchtower

Die ersten Schneeglöckchen sprießen aus dem Boden und spätestens jetzt wird es Zeit, die Revue meiner zweitausendzwanziger Musikkäufe abzuschließen. Werfen wir einen Blick zurück auf ein paar herausstechende Neu- und Gebrauchtkäufe des letzten Jahres:

Cirith Ungol – Forever Black

(Album, 2020)

Irgendwie haben CIRITH UNGOL es geschafft, sich fast zwanzig Jahre lang unter einem Stein zu verstecken. Man kann es sich nur so erklären, dass der Sound irgendwie mumifiziert wurde, um – als wäre nichts gewesen – anno 2020 wieder entstaubt zu werden und mit dem Opener Legions Arise nahtlos dort anzusetzen, wo man 1991 aufhörte.

Ganz überraschend ist die hohe Qualität des Materials natürlich nicht, denn schon in den letzten Jahren bewiesen CIRITH UNGOL, dass sie ihren einzigartigen Sound immer noch in bestform auf die Bühne bringen können. Dennoch, bei Comeback-Alben schlage ich wenn überhaupt nur nur zögernd zu und allzu verschwenderischer Umgang mit Vorschuss­lorbeeren (ich meine euch, Deaf Forever!) macht zumeist eher skeptisch als ernsthaft neugierig. Doch nun reiht sich „Forever Black“ ohne Experimente und völlig harmonisch in den Katalog der Band ein. Und lässt den Fanboy gleichermaßen erleichtert wie begeistert zurück.

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Grave Digger – Symphony Of Death

(EP, 1994)

Während die Erstlingswerke und natürlich die Mittelalter-Trilogie der nordrheinwestfälischen Metal-Institution GRAVE DIGGER jedem Metaller geläufig sein dürften, geht die Früh-1990er-Phase der Band häufig unter. Zu Unrecht, wie ich finde!

So musste zwischen den LPs „The Reaper“ (1993) und „Heart of Darkness“ (1995) wohl etwas Zeit überbrückt werden und man warf eine EP mit immerhin 24 Minuten Laufzeit ein. Dementsprechend kommt man ohne Füller, wie die später obligatorisch gewordene Quotenballade, aus und bietet noch waschechte Hausmannskost: schnörkellos, mitunter etwas plump, aber (um die Metapher mal beiseite zu legen) eben auch voll ungezügelter Energie, wie man sie bei altgedienten Berufsmusikern eben so häufig vermisst.

Symphony of Death ist vielleicht kein Must-Have, aber eben doch ein kurzweiliger Spaß und vor allem Erinnerung an eine unbeschwerte Schaffensphase, die noch frei vom engen Korsett der späteren Konzeptalben war.

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Midas – Demo Tapes

(Album, 2020)

Springen wir zurück ins Jahr 1981. Der Metal ist noch eng verwurzelt mit Blues und Hard Rock; Gitarren sind noch nicht bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, der Bass darf noch grooven und weniger ist eben einfach noch mehr – außer wenn es um Oberlippenbärte geht. Und natürlich abgesehen davon, dass es sich bei MIDAS nicht um einen NWoBHM-Klassiker, sondern um eine zeitgenössische Band aus Detroit, Michigan handelt.

Ich weiß beim besten Willen nicht, was das Quartett geritten hat, nach einer Demo und einer EP noch eine Demo-Compilation rauszubringen. Aber wollen wir uns mal nicht beschweren, denn die Demo Tapes bieten großartigen und überwiegend aufs wesentliche reduzierten Rock. Hervorzuheben sind die tollen Twin-Gitarren, die mal sanf, mal ruppig, aber eben immer hardrockig klingen. Wer gezielt nach Schwächen sucht, wird vielleicht den rauen, etwas limitierten Gesang bemängeln – davon ab bietet die Scheibe alles was man braucht, um mit runtergekurbeltem Fenster durch die Landschaft zu brettern. Geiles Ding!

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Traveler – Termination Shock

(Album, 2020)

Merkt man schon, dass ich diesen Post eigentlich noch vor Weihnachten raushauen wollte? Wir bleiben nämlich im Jahr 2020 und riskieren ein Ohr in TRAVELERs Zweitling „Termination Shock“. Und schon beim Opener machen die kanadischen SciFi-Nerds klar, wo der … Weltraumkraken die Saugnäpfe hat?

Markenzeichen, wie schon beim Debüt: riffbetonter Heavy Metal, befreit von allem unnötigen Ballast und trotzdem überraschend frisch. Bei aller Eigenständigkeit sehe ich vor allem musikalische Verbindungen zu OMEN, JUDAS PRIEST und jungen Helden wie RIOT CITY, STRIKER oder AMBUSH. Und Apropos Debüt: ich kann nicht recht sagen weshalb, aber irgendwie hat mich dieses zweite Album nicht ganz so umgehauen wie die vorangegangene LP. Objektiv betrachtet, würde ich „Termination Shock“ und den starken Erstling „Traveler“ dennoch auf Augenhöhe sehen.

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Witchtower – Witches' Domain

(Album, 2020)

Noch ein Leckerbissen zum Schluss: das Intro zu „Witches Domain“ beginnt wie ein Song aus dem Iron-Maiden-Baukasten, nur um es direkt danach richtig scheppern zu lassen. WITCHTOWER ist also deutlich hörbar am frühen britischen Metal orientiert, geht mitunter aber deutlich rabiater zur Sache und geizt nicht mit okkulten Motiven.

Dennoch geht jede Nummer sofort ins Ohr, was vor allem der Gitarrenarbeit und dem rauen, aber überraschend vielseitigen Gesang zu verdanken ist – für beides zeichnet Bandgründer Víctor verantwortlich, der hier und da an einen heiseren Klaus Meine erinnert. Neben dem schon erwähnten Iron-Maiden-Einfluss würde ich noch Angel Witch und etwas Merciful Fate in den Topf werfen. Dennoch klingt WITCHTOWER eigenständig und beherrscht alle Disziplinen von gediegenem Fußwippen (Night of the Witch, Love Potion), über munteres Fäuste recken und Luftgitarre fiedeln (Over the Top, The World is Upside Down) bis hin zu völlig entfesseltem Hellraisen (Zugarramurdi, Mrs. Artisson, Look for the Truth).

Lange nicht mehr hat die abgedroschene Floskel „no fillers, just killers“ so Arsch-auf-Eimer gepasst wie für diese andalusische Langrille. Und lange hat mich kein Album mehr so durstig auf Live-Auftritte gemacht wie „Witches Domain“, purer Wahnsinn!

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(Titelfoto von Free-Photos auf Pixabay)