Reingehört IX

12. Dezember 2020 | #reingehoert #metal #airraid #sandstorm #attic #omen #rainbow #runemaster

Blöd genug, dass die Pandemie jetzt nicht nur den Festivalsommer, sondern auch den Konzertwinter platzen lässt. Und der Weg ins – und zurück aus dem – Büro fällt dank Homeoffice ebenso flach, so dass auch das Hören von Konservenmucke irgendwie abgenommen hat. Aber ganz ohne schweren Stahl auf den Ohren geht's halt nicht und wenigstens ein paar Tonträger hab ich dieses Jahr gekauft und deren Inhalt mehr oder weniger intensiv aufgesogen. Grund genug, eine alte Gewohnheit wiederzubeleben – sonst geht's hier bald ja nur noch um unseren Bau.

Legen wir mit sechs neuen und alten Perlen los, die 2020 ihren Weg in mein Regal gefunden haben:

Air Raid – Across the Line

(Album, 2017)

AIR RAID sind mir erstmals auf dem HOA 2016 aufgefallen und positiv in Erinnerung geblieben. Das 2017er Album landete preiswert und eher auf Verdacht im Warenkorb.

Die Truppe aus Schweden spielt lupenreinen Heavy Metal und schlägt voll in die Kerbe moderner Szenegenossen wie AMBUSH, STRIKER und natürlich ENFORCER. Hier geht's allerdings ein kleines bisschen ungehobelter zur Sache, was vor allem am rauen Gesang liegt. Die gut 37 Minuten sind keine musikalische Offenbarung, lassen aber niemals Langeweile aufkommen!

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Sandstorm – Time To Strike

(EP, 2019)

Was haben wir denn hier? Ein Dämon, wie ihn Emil nicht besser hätte zeichnen können, beschwört … eine glühende Rosette? Dazu ein fieser Speer und eine Taschenuhr auf der es immer kurz vor sechs ist. Keine Frage, das Ding ist gekauft!

Die inneren Werte sind schwer zu beschreiben: die Schlagworte obskur und Proto Metal sollten fallen. Bestechend sind jedenfalls das reduziertes Riffing, energischer (und mitunter etwas schräger) Gesang und diese Eigenart, sofort ins Ohr zu gehen.

Besser als jede Beschreibung ist wohl der Blick auf den oberkultigen Videoclip zu Death is Near. Diese Kombination aus Leder, VHS-Flair und einer geheimnisvollen astralen Macht muss man einfach lieben. Und das beste ist, dass die nächste EP („Desert Warrior“) bereits für Anfang 2021 in der Pipeline ist.

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Attic – The Invocation

(Album, 2015)

Zugegeben, als ATTIC in aller Munde waren (jedenfalls innerhalb ihrer Nische), hielt ich die Band für ziemlich überhyped. Aber den „Test of Time“ hat das mittlerweile acht Jahre alte Debüt zweifelsohne bestanden. Schon der erste Schrei im Opener Funeral in the Woods machte klar, wo der Hammer hängt – und war sicher nicht ganz unschuldig an der Popularität alter MERCIFUL FATE Platten unter jüngeren Metal Worshippern.

Vor allem gemessen daran, dass „The Invocation“ damals gefühlt völlig aus dem Nichts erschien, sind alle Songs bockstark und so konnte man ATTIC schon damals nicht ernsthaft vorwerfen, eine Wannabe-Truppe zu sein. Beim Nachfolger „Sanctimonious“ (2017) wurde sogar noch eine Schippe draufgelegt. Aber schon der Erinnerung an die urknallartige Eruption, die das Debüt in der Szene verursachte, sollte man sich die „The Invocation” ins Regal stellen.

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Omen – Warning Of Danger

(Album, 1985)

Der Vorgänger „Battle Cry“ war für mich ein echter Augen- (oder Ohren-)öffner. Schien mir Power Metal nach US-amerikanischer Definition immer etwas zu platt, konnten mich OMEN erstmals auf Anhieb überzeugen.

Auch der Nachfolger geht – obwohl scheinbar völlig schmucklos – sofort ins Ohr. Im Mittelpunkt steht tolles Riffing; Gitarrensoli sind geschickt eingebettet und niemals überpräsent. Auch die Stimme von J.D. Kimballs kann im besten Sinne als angenehm beschrieben werden. Was sich in der nüchternen Beschreibung als pures Mittelmaß liest, ist tatsächlich jedoch reines Gold: So als hätte man alles Überflüssige rausgeworfen und nur die notwendigsten Bestandteile für ein zeitloses Heavy-Metal-Album mitgenommen, ist auch „Warning of Danger“ ein regelrechtes Destillat und gilt nicht ohne Grund als Genre-Klassiker.

Runemaster Wanderer

(Album, 2020)

Zurück ins Hier und Jetzt: was auf dem ersten Blick aussieht wie noch eine Pagan-Band, entpuppt sich als wahrhaft episches Heavy-Metal-Brett.

Textlich geht's natürlich um die vielfach ausgeschlachtete Mythologie Skandinaviens. RUNEMASTER nähern sich der Sache aber sehr geerdet und unpeinlich: am naheliegendsten ist der Verweis auf neuere Epic-Metal-Helden wie VISIGOTH. Als Anspieltipp werfe ich mal „Hagalaz“ in den Pott.

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Ritchie Blackmore's Rainbow

(Album, 1975)

Springen wir zum Abschluss noch ein weiteres Jahrzehnt zurück: DEEP-PURPLE-Gitarrist Ritchie Blackmore war vielleicht schon damals ein Arsch, lebte aber mental zumindest noch in unseren Sphären. Und veröffentlichte natürlich einen Rock-Klassiker nach dem anderen.

RITCHIE BLACKMORE'S RAINBOW startete als Solo-Projekt, entwickelte sich jedoch zu einer vollwertigen Band und natürlich als Brandbeschleuniger für die Karriere von Gesangsgott Ronnie James Dio. In der Grundstimmung etwas fröhlicher als die Alben von DEEP PURPLE hat diese Platte den großen Charme, dass keiner der Songs über die Jahre totgespielt wurde – und dass sie auf jedem Flohmarkt für kleines Geld zu kriegen ist.

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(Titelbild von Elena, veröffentlicht unter CC BY-NC-ND )