Ich hab doch vor Kurzem das Thema DDR-Metal angerissen, nämlich im letzten Reingehört-Post. Da ging's um die zuletzt erschienene Compilation der damals erfolgreichsten Metal-Band Ostdeutschlands, Formel Ⅰ. Passend dazu hat der MDR gerade eine neunteilige Podcast-Serie aufgesetzt, die sich exklusiv dem scheinbaren Nischenthema widmet. Titel: Iron East – Heavy Metal in der DDR
Ich hab mich durch die erste Handvoll Folgen gehört und bin von den vielen Einblicken und Zeitzeugen-Interviews einigermaßen angetan. Autor und Host Jan Kubon hat zwar selbst keinen Metal-Hintergrund und blickt dadurch etwas distanzierter, aber kaum weniger begeistert auf die damalige Szene, die sich – anders als etwa Punk – einen doch beachtlichen Spielraum innerhalb des Systems erkämpfen konnte und von der Staatsmacht vergleichsweise unbehelligt blieb.
Persönlich bin ich natürlich weder Zeitzeuge noch in Ostdeutschland aufgewachsen, aber der lockere Erzählstil der Protagonisten und eben der Blick in diese völlig fremde Welt nimmt mich gut mit. So wird beispielsweise berichtet, wie es dazu kam, dass Formel Ⅰ als einzige Metal-Band ein komplettes Album beim staatlichen Platten-Label Amiga aufnehmen und sich sogar als Berufsmusiker verdingen konnten. Buzz Dee (heute eher durch KNORKATOR bekannt) erzählt von der Entstehung der Heavy Mörtel Mischmaschine und warum er (und nicht Chef-Sänger Mike Demnitz) die Gedichtsvertonung Lied des Galgenbruders an Sophie das Henkersmädel einsingen musste.
Nun haben Podcasts den Ruf, gerne dem Mansplaining zu verfallen und Iron East stellt hier ausdrücklich keine Ausnahme dar. Der Erzählonkelstil von Jan Kubon ist teils etwas heftig (bei jedem „Meddl“ stirbt ein Teil von mir) und in den Interviews wünscht man sich, er würde seine Gesprächspartner öfter ausreden lassen bzw. Hintergründe eben gezielt erfragen (anstelle dieser unsäglichen „an dieser Stelle erkläre ich euch mal kurz…“-Einschübe). Pluspunkte gibt es wiederum für die zahlreich eingestreuten Song-Schnipsel. Die machen den Zugang zum Thema einfach und wischen den teils bitteren Beigeschmack der vordergründig lockeren Anekdoten beiseite – ganz so wie Metal als Eskapismus damals wie heute eben funktioniert hat.
Alles in allem wird der Hörer hier gut unterhalten und gewinnt viele neue Eindrücke in eine Szene, die dem heutigen Metal-Underground gar nicht so unähnlich ist. Wer sich halbwegs für den Musikzirkus im Allgemeinen, Metal im Speziellen und/oder dem Leben als Jugendlicher in der damaligen DDR interessiert, sollte hier unbedingt mal reinhören.
Ach, und dann wird ja gerade die brandneue Staffel von „Cui Bono“ heiß diskutiert: „Wer hat Angst vorm Drachenlord?““ lautet die Frage. Hier geht es natürlich (wie bei Rainer auch) höchstens am Rande um Metal. Aber zum Meddl-Franken und seine lieben Haider haben die meisten Metaller sicher eine Meinung.
Bei RTL Plus sind schon die ersten vier Folgen zu hören und auf dem ersten Blick wird das Spannungsfeld zwischen organisiertem Mobbing auf der einen und Hate als Einkommensgrundlage auf der anderen Seite differenziert und nachvollziehbar beleuchtet.
In wie weit man das teils mitverschuldete Schicksal des inzwischen mittellosen Drachenlords noch medial ausschlachten muss, soll jeder für sich bewerten. Ich selbst bin der Ansicht, dass der Drachenlord weder Dokumentationen noch Haftstrafen braucht, um wieder auf die Spur zu kommen – aber zumindest kann man Khesrau Behroz & Co. attestieren, gründlicher als die meisten Medien recherchiert zu haben und überraschend tief in die Materie eingestiegen zu sein.
So wie viele Online-Artikel (hier beliebige Links zu Zeit, Spiegel & Co. einfügen) zum Thema und natürlich das Drachengame selbst kratzt aber auch der Podcast immer wieder an Elendstourismus und Sensationslust, auch wenn anders als oft neutraler berichtet wird und auch die Gegenseite zu Wort kommt. Wobei sich etwa der damalige Lachschon-Admin trotz über 3000 Drachenlord-Posts auf seiner Seite überraschend ahnungslos gibt.
Wer nachvollziehen will, was es mit all der Aufregung auf sich hat oder den Anfang der ganzen Geschichte verpasst hat, findet hier (nach allem was ich bisher sagen kann) einen geeigneten Einstieg in die bizarre, aber irgendwo auch faszinierende Thematik.
Titelfotos: Bundesarchiv, Bild 183-1986-1201-001 / Zimmermann, Peter, CC BY-SA 3.0 DE und „Drachenschanze“ von Bahnhofsralf, CC BY-SA 4.0, beide via Wikimedia Commons. Collage von mir, ebenfalls CC BY-SA.